Emilie Hexamer

Diefenbach lernt Emilie Hexamer aus Bad Kreuznach im Sommer 1913 kennen, vermutlich als Besucherin seiner Ausstellung. Obwohl er sie, die in ihrem Liebesglück gescheitert ist, erst dreimal flüchtig gesehen und gesprochen hat, ist er mit ihr auf dem Duzfuß und beschwört sie geradezu flehentlich, ihm, dem ebenfalls Alleingelassenen, sein „brennendstes Lebensbedürfnis“ zu erfüllen: seine Frau zu werden. Er „brauche ein Weib, das seelenstark und herzensweich sich zu mir stelle, ein solches Weib glaube ich in Dir gefunden, opferfähig eines jugendlichen Liebesdranges nach leiblichem Genuss und Mutterfreuden, die mein gebrochnes Alter nicht mehr geben kann“. Emilie, die sich, in Anspielung auf ihren Namen, selbst als „Hexe“ bezeichnet, lehnt jedoch diesen Antrag ab, angeblich, weil sie ihre leidende Mutter pflegen muss.  

7. 7. 1913  Dfb aus Sorrent an Emilie Hexamer, Bad Kreuznach, 4 Uhr morgens:

Mein Leben ist in Gefahr und das meines unglücklichen Sohnes Helios. Die Tragödie, welche der gemeine Geist und die gemeine Seele der Mutter meiner Kinder über diese und über mich verhängt hat, drängt jetzt dem Gipfel- und Entscheidungspunkte zu. Vor 3 Wochen bin ich hierher vor dem nicht mehr ertragbaren Rasen meines zum  Werkzeug der Rache des Weibes gegen mich suggerierten Sohnes geflüchtet. Am gleichen Tag verließ mich mein Secretär Beckmann mit seiner Frau, der die seit einem halben Jahre miterlebte Tragödie nicht mehr mitanzusehen vermochte. Allein, ohne jede Pflege, Hilfe und Aussicht wandte ich mich hierher, angeregt durch die außerordentlich innige Teilnahme, welche eine vornehme Russin, die hier bei ihrer Freundin (Tochter des Fürsten Gortschakov) lebt und meinen Sohn seit einem Jahre mir zur "Versöhnung" mit diesem entgegen brachte.   (431) ...

Ich muß auf das Schlimmste gefaßt sein: Zuerst mir eine Revolverkugel ins Herz und dann sich selbst! Dieser Gefahr stehe ich schutz- und wehrlos gegenüber. Im Hotel hat natürlich niemand Kenntnis von dem wahren Zweck meines hiesigen Aufenthaltes ... Die fürstliche Villa ist 10 Minuten von hier entfernt und als Zufluchtsstätte gegen eine derartige Gefahr mir nicht zugänglich. (431) ... Warum ich Dir, die Du mich nur 3mal flüchtig gesehen und gesprochen hast, dazu in eigenem schweren Herzeleid, all dies Gräßliche mitteile? Entscheidungsschwere und verhängnisvolle Frage an das Schicksal! -

Alle meine seitherigen Versuche, meinem schreiendsten und brennendsten Lebensbedürfnis entsprechend ein Weib meiner Empfindungsart zu finden ... sind seither gescheitert. Mit Schaudern und mit †    † zog sich jedes daraufhin angesprochene Weib von mir zurück.  ...

Da erschienst Du mir ... Du könntest, gescheitert an Deinem Liebesglück, fähig sein, Dich an meine Seite zu stellen? Du schriebst mir zwar, daß Du "Hexe" genug seiest, nicht davor zurückzuschaudern, zu mir zu kommen, mich zu pflegen und mit mir künstlerisch zu arbeiten, aber daß Deine Kindespflicht gegen Deine Mutter Dir verbiete, diese zu verlassen  (433)  ... Sollte in Anbetracht meiner Lage Deine Mutter nicht mit einer bezahlten Dienstfrau an Deiner Stelle auskommen können?                                          (Tgb 31, S.434)

9. 7. 13  An Emilie Hexamer aus Sorrent: ... erklärte mir heute Frln. Abels ... daß das sofortige Weggehen Helios' überhaupt unmöglich sei ...

Nachdem ich selbst seine Ausweisung von Capri wie eine Art Todesurteil für ihn empfinde, suche ich dieselbe zu umgehen. Nachdem mir aber das persönliche Zusammensein mit ihm zur absoluten Unmöglichkeit geworden ist ... habe ich beschlossen, abermals 1/2 Jahr fern von Capri zu leben und zu arbeiten, wie ich es im vorigen Jahr, aber vergebens, getan.(435) Ich warte jetzt nur noch hier die Antwort von Helios sowie die Deinige ab, um dann sofort in der Nähe der Festung Baia (Golf von Pozzuoli) eine ruhig gelegene Wohnung zu suchen, in deren Räumen ich den großen Cyclus der vor. J. in Neapel begonnenen Baia-Bilder aufstellen und vollenden kann. Die möglichst rasche Vollendung dieses Bildercyclus bietet die einzige Möglichkeit zur Überwindung der bürokratischen und Geld-Hindernisse, in den Besitz der alten Festung zu kommen, der zur Lebensfrage für den Rest meines Lebens geworden ist. ...

Ich rechne so sicher auf Dein Kommen zu mir. ... Hexe, hilf mir die Festung [Baia] erobern!

(Tgb 31, S.436)

11. 7. 13  Dfb. an Frl. Adele Abels, Capri: Da ich ohne Geld nicht nach Baia oder sonstwo hingehen kann, kehre ich in meinen Kerker nach Capri zurück.

11. 7. 13  Dfb an Hexamer: Wenn Dir mein Leben lieb ist, eile mit der schnellsten Möglichkeit zu mir zu kommen, jeder Tag und jede Stunde kann mir einen Herzschlag versetzen, von dem ich mich nicht mehr zu erheben vermöchte! (437) ... Geldnot ... Ich brauche ein Weib, das seelenstark und herzensweich sich zu mir stelle, ein solches Weib glaube ich in Dir gefunden, opferfähig eines jugendlichen Liebesdranges nach leiblichem Genuss und Mutterfreuden, die mein gebrochnes Alter nicht mehr geben kann. Das Schicksal, das nur kurzen Liebesrausch Dir gönnte und das Dich zu mir führte, mir Dein Seelenweh zu klagen, hat Dich befähigt und gestählt, noch größres Lebensweh mit mir zu teilen. (438)

 13. 7. 13  An Hexamer: So furchtbar schwer und verhängnisvoll mich der Schlag Deiner Absage in meiner ungeheuren Lage trifft, so sehr verstehe ich und würdige die Gründe derselben.  (439) ... Der Riese Simson fiel durch die Schlange Delila! Nur ein kindlich-naives, jugendliches (d.h. noch nicht in der pfäffischen Entgöttlichung und Verblödung erstarrtes), mich wie weiches Wachs umgebendes Weib vermag mir Hilfe zu bieten zu meiner Befreiung aus den Giftnetzen, mit welchen Wurm-Weiblichkeit - von meiner Schwester angefangen - mein Leben umstrickt hat. Und diese Fähigkeit hatte ich Dir zugetraut!                                                                                                  (Tgb 31, S.441)

24. 7. 13  An Hexamer:

Gespenster des Wahnsinns ... Wenn nicht, wenigstens die Versicherung, daß Du telepathisch Deinen Astralleib (kennst Du dies Hirngespinst der "Theosophie"?) mir zusendest.